Technische Überwachung
Aufzüge: Gemeinsam für mehr Sicherheit

Mit hohem Einsatz arbeiten die Sachverständigen der Zugelassenen Überwachungsstellen daran, den Austausch und die Kooperation mit den Marktteilnehmern, insbesondere mit den Betreibern von Aufzügen, zu stärken. Die frühzeitige Abstimmung hilft, Mängeln vorzubeugen – und erhöht so das Vertrauen in die Anlagen.
Die Störung in einem Umspannwerk löste eine Kettenreaktion aus und legte ein ganzes Land lahm. Am 28. April erlebte Spanien den Blackout – nahezu landesweit fiel der Strom aus. Auch Aufzüge blieben stecken oder öffneten ihre Türen nicht mehr. In mehr als 600 Fällen mussten Menschen von Rettungskräften befreit werden – darunter auch der brasilianische Tennis-Star Fernando Romboli, der während eines Turniers in Madrid eine halbe Stunde lang feststeckte.
„Manche Gefährdungen werden verdrängt, weil ihr Eintreten als höchst unwahrscheinlich angesehen wird“, sagt Guido Kehmer, Geschäftsfeldmanager für Aufzüge & Fördertechnik von TÜV Rheinland. „Umso wichtiger ist es, Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen im Vorfeld zu treffen, damit sich die Menschen bei solch einem Vorfall bemerkbar machen können.“ Besonders bedeutsam sei dies beispielsweise in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, in denen sich besonders hilflose Menschen befinden. Immer relevanter werde bei den Vorkehrungen, dass auch mögliche Cyberangriffe berücksichtigt werden.
Regelmäßige Prüfungen erhöhen die Sicherheit
Funktioniert der Notruf auch, wenn der Strom ausfällt? Eine Notstromversorgung stellt dies in der Regel bei Aufzügen sicher. Welche möglichen Risiken insgesamt bei einem Aufzug bestehen, müssen Betreiber in einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln – und darlegen, mit welchen Schutzmaßnahmen sie darauf reagieren. Dies schreibt die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) für überwachungsbedürftige Anlagen vor. Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS) überwachen die sichere Verwendung der Aufzüge in der Regel einmal jährlich durch eine Haupt- und eine Zwischenprüfung im Wechsel.
Die Fahrt im Aufzug – sie sei auch eine Frage des Vertrauens, sagt Kehmer. „Nutzerinnen und Nutzer können im Fahrkorb nicht erkennen, ob die Technik zuverlässig funktioniert“, sagt er. Deshalb sei eine enge Kooperation zwischen Betreiber und ZÜS notwendig. „Die Betreiber bekommen von uns ein neutrales Bild vom Zustand der Sicherheit ihrer Aufzugsanlage.“ Treten Mängel auf, werden diese in der Prüfbescheinigung festgehalten. Bei gefährlichen Mängeln darf der Aufzug nicht weiterbetrieben werden, zudem sind die ZÜS verpflichtet, die zuständigen Behörden zu informieren.
Meldepflicht bei Unfällen häufig missachtet
Bei der Beurteilung von Gefährdungen gibt es gewisse Toleranzen, erläutert Stefan Löbig, Leiter Geschäftsfeld Fördertechnik beim TÜV Hessen. Ein Beispiel: „Eine Stufenbildung darf es nicht geben, aber ein leichter Versatz zwischen Aufzug und dem Boden des Geschosses bei einem Halt ist akzeptabel“, sagt er. Wenn allerdings Unfälle geschehen, sind diese in jedem Fall meldepflichtig. „Es geschieht immer wieder, dass Betreiber dem nicht nachkommen“, sagt Löbig. Die Zahl der Stolperunfälle beim Aussteigen nehme zu, hat der Experte beobachtet. „Heute wird beim Aussteigen oft auf das Handy geschaut.“
Engere Verzahnung von Betreibern, Wartungsfirmen und ZÜS stärkt das Sicherheitsniveau
Generell gibt es laut Löbig noch Potenzial für eine Verbesserung der Zusammenarbeit von Betreibern mit den ZÜS. „Sie sollten keine Hemmungen haben, uns anzusprechen“, sagt er. „Wir dürfen beispielsweise bei technischen Mängeln fachlich unterstützen – etwa mit Blick auf Maßnahmen, die zu treffen sind.“ Eine konkrete Beratung, welche Komponenten von welchem Hersteller geeignet sind, leisten die ZÜSen nicht. „Wir sind unabhängig und unparteilich“, sagt Löbig. „Es geht vor allem darum, Mängel und Hintergründe zu erläutern.“ Wie genau technische Probleme behoben werden, klären dann Betreiber und Wartungsfirma. Damit dies reibungslos geschieht, sei „eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller drei Parteien“ wichtig.
Technische Regeln für Betriebssicherheit geben die Richtung vor
Wie genau die Prüforganisationen bei den Prüfungen vorgehen, ist in den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 1201 Teil 4) geregelt. Vorgeschrieben ist eine Kombination aus Sichtprüfungen und Untersuchungen der Funktionsfähigkeit. Im Fokus stehen unter anderem der sichere Zugang, die Haltegenauigkeit, der Zustand der Tragmittel, Bremsen und der Steuerung sowie die Einrichtungen und Pläne für Notfälle. Auch Fang- und Auslöseeinrichtungen nehmen die Prüfer genau unter die Lupe. Viel Einsatz ist gefragt: „Dafür wird der Aufzug umfangreich geprüft, auch mit einer Schachtfahrt auf dem Fahrkorbdach“, sagt Löbig.
„Es kommt schon einmal vor, dass Betreiber die Prüfungen als unnötig empfinden“, sagt Kehmer. Dann gelte es klarzumachen: „Wir helfen mit unserer unabhängigen Prüfung, das Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit des Aufzugs zu stärken“, sagt Kehmer. „Das dokumentiert auch die Prüfplakette im Aufzug.“ Ziel sei, bei den Betreibern Bewusstsein und Aufmerksamkeit für mögliche Defizite oder Mängel zu schaffen. „Die Botschaft lautet: Kümmere dich darum, bevor es einen Vorfall gibt“, sagt Kehmer.
Geringfügige Mängel sind binnen eines Jahres zu beseitigen, erläutert Löbig. „Die ZÜSen verfolgen das aber nicht und es wird auch nicht an die Behörden gemeldet.“ Problematisch könne es werden, wenn sich ein Betreiber nicht um das Problem kümmert. „Es kann sein, dass der geringfügige Mangel nach einem Jahr nicht beseitigt ist und sich zu einem erheblichen Mangel entwickelt“, sagt Löbig. „Hier ist der Betreiber in der Verantwortung.“
Auch Sauberkeit ist ein Sicherheitsfaktor
Die Prüfung berücksichtigt auch das Umfeld. „Wenn ein Aufzug in einem Industriebetrieb regelmäßig Gabelstapler transportiert, dann sind etwas Schmutz oder Beulen kein Problem, solange sie die Sicherheit nicht gefährden“, sagt Kehmer. Bei Aufzügen in Wohnhäusern dagegen rät der Fachmann, streng auf Sauberkeit zu achten. „Wenn es erstmal einen Vandalismusschaden gibt, kommen schnell weitere dazu.“ Vorbeugen könnten Betreiber etwa, indem sie Bedienknöpfe so schützen, dass sie nicht mit Feuerzeugen angekokelt werden können. Oder indem sie die Beleuchtung mit Gittern abdecken. „Da kommt auch die Wartungsfirma ins Spiel, die sich darum kümmern kann“, sagt Kehmer. Wichtig sei in Wohngebäuden, auf eine robuste Verkleidung zu achten. „Flusen, Papier oder Zigarettenkippen im Aufzugsschacht können einen Schwelbrand verursachen.“ Beschädigte Abdeckungen können laut Kehmer zu einer Nachprüfung führen, die innerhalb einer festgelegten kurzen Frist stattfindet. „Wir kontrollieren dann, ob die Mängel beseitigt wurden.“
Kompetenzen sichern durch Schulungen und Datenbanken
Die Zusammenarbeit stärken – das geschieht bei TÜV Rheinland mittels eines intensiven Austauschs zwischen Sachverständigen und Betreibern oder Wartungsfirmen, beschreibt Kehmer. „Wir haben Wissensdatenbanken, in denen etwa typische Fälle möglicher Mängel geschildert sind.“ Die Schulungen des eigenen Personals gehen über das Technische hinaus. „Wir beschäftigten uns auch damit, wie Gespräche oder Diskussionen mit unseren Kunden geführt werden können.“ Das Know-how der ZÜS sei wichtig für Betreiber und Wartungsfirmen. „Wir kennen alle Aufzugstypen, auch die älteren“, sagt Kehmer. „Mit diesem Wissen können wir viele Hinweise geben.“ Denn ein Trend der vergangenen Jahre sei, dass mehr Aufzüge umgebaut würden. „Der Neubau von Wohn- und Geschäftshäusern ist stark rückläufig. Dafür gibt es mehr Modernisierungen“, sagt Kehmer. „Dabei wird leider nicht immer der Stand der Technik erreicht.“
Ein Beispiel seien Einrichtungen, um das Uncontrolled Car Movement (UCM) – also unkontrollierte Bewegungen des Fahrkorbs – in den Griff zu bekommen. „Diese fehlen bei älteren Modellen ganz oder müssen nachgebessert werden“, erläutert Kehmer. Vor der Entscheidung für eine Modernisierung oder den Einbau eines neuen Aufzugs sei es nützlich, die ZÜS mit ins Boot zu holen. „Oft ist es eine ganze Reihe von Bauteilen, die für einen Umbau nach dem Stand der Technik gebraucht werden“, sagt Kehmer. „Wir können neutral einschätzen, welcher Aufwand nötig ist, um gesetzeskonform zu arbeiten.“
Das Verhältnis zu den Herstellern, die auch die Wartungen übernehmen, sei nicht einheitlich, sagt Kehmer. „Einige schätzen uns als Vermittler zwischen den Betreibern und ihnen.“ Andere Hersteller wiederum streben es laut Kehmer an, die ZÜS mit Blick auf die eigenen Vertriebsziele möglichst herauszuhalten. „Aber die Betreiber merken irgendwann, dass sie etwa über technische Möglichkeiten einseitig informiert werden.“ Auch hier arbeite der TÜV für mehr Transparenz. „Wir suchen den Kontakt zu Herstellern gerade bei großen Aufträgen“, sagt Kehmer. „Das zahlt sich aus, damit die Abnahmen am Ende reibungslos ablaufen.“ Auf Verbandsebene setzen sich zahlreiche Akteure für mehr Transparenz ein. Der TÜV-Verband ist im regelmäßigen Austausch mit dem Fachverband Aufzüge und Fahrtreppen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie mit dem Verband für Aufzugstechnik (VFA), der die mittelständischen Hersteller vertritt. „Wir sind intensiv im Gespräch miteinander“, sagt Kehmer.
Bewusstsein für Cybersicherheitsrisiken bei Aufzügen wächst
Beim Thema Cybersicherheit zeigt sich der Nutzen des gemeinschaftlichen Vorgehens. „Wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet und Schulungen durchgeführt“, sagt Kehmer. „Das Thema ist bei den Betreibern angekommen und wird verstanden.“ So sei es wichtig, etwa die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik zu schützen, wenn sie ans Internet angebunden ist. Dies wird in der Regel sauber in den aktualisierten Gefährdungsbeurteilungen dokumentiert. „Da können wir dann schnell einen Haken dahinter machen“, sagt Kehmer. Nun werde verstärkt geprüft, ob die Maßnahmen auch greifen – gerade in Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur wie Krankenhäusern. „Wir sehen, dass Maßnahmen für die Aufzüge in der Regel nicht nur dokumentiert, sondern auch umgesetzt sind“, sagt Kehmer. Die Rolle der Sachverständigen sei bedeutend, ergänzt Löbig: „Mit Blick auf die Cybersicherheit sind externe Experten auch Ansprechpartner für die nötigen Analysen.“
Bei den rechtlichen Vorgaben wird das bereits beschlossene Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) nach Einschätzung der TÜV-Experten für eine stärkere Betonung der Gefährdungsbeurteilung sorgen. Details wird eine entsprechende Verordnung bringen (ÜAnlV). Sie soll die Betriebssicherheitsverordnung ablösen. Bis sie verabschiedet wird, ist noch etwas Geduld gefragt. „Im Zuge der Neuwahl des Bundestags ist die Verordnung erstmal ‚auf Wiedervorlage‘ gelegt worden“, sagt Kehmer.